MARIA FENSKI

14. August 1905 – 7. August 1942

Sandra Wörner, 2023, geschliffene Kohle auf Papier, 50 x 50 cm

Foto: Zeitpunkt der Aufnahme unbekannt, privat
Text: basiert auf der von Hannah Bischof verfassten Biografie auf »Gedenkort T4«
Literatur: hannah-bischof.de, Instagram: @bischof.hannah

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Thea Nodes über Maria Fenski

»Mein Wunsch war, meiner Großmutter die Würde zurückzugeben, die ihr die Nationalsozialisten genommen hatten. Ich wollte sie präsent werden lassen, wollte der Öffentlichkeit zeigen, wer sie war und was man ihr angetan hatte. Ich wollte – und will – darauf hinweisen, was passiert, wenn man Menschen in einer Gesellschaft bewusst ausgrenzt. Und ich wünsche mir, dass die Menschen über dieses Unrecht sprechen. Gerade das Thema der sog. »Euthanasie« ist in unserer und wahrscheinlich auch in anderen Gesellschaften m. E. noch nicht aufgearbeitet – aus Scham und wegen diffuser Ängste. Mit dazu beitragen zu können, dass in den Familien darüber gesprochen wird, dass sich auch die Jüngeren dafür interessieren, was damals passiert ist, das wäre schön.«
Hannah Bischof, die Enkelin von Maria Fenski

Um ihre Großmutter wurde in der Familie ein Geheimnis gemacht. »Maria wurde gestorben«, hieß es dort. Hannah Bischof forschte zu diesem streng gehüteten Familiengeheimnis. In den Jahren 2011 bis 2015 entstand im Zuge dessen, was Hannah Bischof über ihre Großmutter erfahren und in den Krankenakten nachgelesen hatte, ein Zyklus von sechzehn Gemälden. In »Von Papenburg nach Neuruppin – Zyklus für Maria« macht die Berliner Künstlerin ihre Großmutter wieder sichtbar. Die Acrylbilder habe ich nur virtuell gesehen. Sie haben mich tief berührt. Das, was ich nachstehend zu einigen Bildern schreibe, sind meine Gedanken hierzu. Die Biografie habe ich der virtuellen Gedenkseite »Gedenkort T4« entnommen.

Das erste Gemälde aus dem Zyklus trägt den Titel »Die rote Mühle«. Hannah Bischof hat es 2012 gemalt. Eine kleine blaue Figur steht zwischen einer leuchtend roten Mühle und den tristen Gebäuden einer Anstalt. Die massiven Mauern zeigen sich grau und in einem erloschenen Rot. Marias Blick ist auf die Leere zwischen den beiden Bauwerken gerichtet. Sie scheint mir einsam und verloren, die Arme zum Schutz um sich geschlungen. Die rote Mühle ist das Wahrzeichen von Papenburg. Dort wurde Maria geboren und hier endete ihr Leben, in der Zwischenanstalt Neuruppin. Dorthin wurde Maria Fenski am 14. August 1941 mit einem Sammeltransport aus dem Königin-Elisabeth-Herzberge-Krankenhaus gebracht. Dort bekam sie eine Kost, die keinerlei Nährstoffe enthielt. Man ließ sie verhungern. Am Ende ihres Lebens wog sie nur noch 42 Kilo. Innerhalb von drei Jahren hatte sie 30 Kilo Gewicht verloren.

Im Alter von siebzehn Jahren kam Maria wegen sogenanntem »Jugendirrsinn« vorübergehend in die Landes- und Provinzial-Heilanstalt Osnabrück. Es musste irgendetwas passiert sein, etwas, das sie aus der Bahn geworfen hat. »Papenburg 1922/23 – 1927«, 2015 entstanden, zeigt am oberen Bildrand eine blaue Häuserzeile. Maria steht in großem Abstand davor. Ich hatte mir eine Notiz gemacht, eine Aussage von Hannah Bischof zu ihrer Malerei, die mir beim Betrachten dieses Bildes spontan eingefallen ist: »Es ist fast der Blick eines Kindes auf die Welt, die so groß wirkt, so mächtig, so gewaltig – und in der es sich verliert.«

Am 25. Juli 1927 heiratete Maria Josef Fenski aus Danzig. »Maria galt als verrückt, man fand die Verbindung nicht ganz in Ordnung, weil man nicht kirchlich geheiratet hat sondern nur standesamtlich. Es gibt keine Feier, es gibt keine Fotos von der Hochzeit«, so Hannah Bischof in einem Interview. Auf dem Bild »Die Hochzeit«, 2015 gemalt, stehen zwei Stühle auf gelbem Boden, wohl wartend auf das Hochzeitspaar. Vielleicht erzählt das Gelb von Freude und Neugier auf das neue Leben, das Gebäude im Vordergrund von einem neuen Zuhause und die blaue Kirche vom verwehrten Segen. Auf dem Bild »Aufbruch« (2012) glaube ich Hamburg zu sehen, das »Tor zur Welt«, den Fernsehturm und Menschen. Josef Fenski wurde dorthin versetzt. Maria ging mit ihm, der Umzug war am 26. Juli 1927. Am 2. September 1928 wurde Sohn Franz geboren.

Vom 9. September 1928 bis 27. Februar 1929 hielt sich Maria Fenski wegen einer Wochenbettpsychose in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg/Hamburg auf. Nach dem Umzug nach Berlin in ein Haus mit Garten war Maria Fenski einige Jahre symptomfrei. Tochter Christa wurde am 19. Juni 1930 und Sohn Rainer am 6. August 1935 geboren. »Ein neues Zuhause«, 2011 entstanden, ist für mich ein hoffnungsreiches Bild. Die orangenen Häuser strahlen Wärme und Zuversicht aus. Im fröhlichen Farbenspiel von »Zwischenzeit« (2015) verliere ich mich, mag mir vorstellen, dass Maria Fenski Ruhe und Frieden gefunden hat.

»Cardiazol« ist 2015 entstanden. Von 21. August bis 24. September 1938 hielt sich Maria Fenski im Sanatorium Heidehaus in Zepernick bei Berlin auf. Dort bekam sie ihre erste Cardiazol-Behandlung. Die Diagnose lautete »Paranoide Psychose«.

Am 24. Juni 1939 wurde Maria Fenski ins Krankenhaus Herzberge in Berlin-Lichtenberg mit der Diagnose »Schizophrenie« eingewiesen. Hannah Bischof malte 2015 das Bild »Die Konturen verschwimmen«. Undeutlich und schattenhaft sind darauf Schemen von Betten zu sehen. Wie hat sich Maria Fenski gefühlt hinter verschlossenen Sprossenfenstern, zusammengepfercht mit anderen Patientinnen, die Wahrnehmung eingeschränkt? Wird sie diesem Zimmer je entkommen?

»Die Besucher«, 2012 gemalt: Josef, der Ehemann, ist mit den beiden Kindern Franz und Christa auf dem Weg zu Maria in die Klinik Lichtenberg. In einem der Gebäude ist die Tür hell erleuchtet. Ein Licht der Hoffnung? Mit welchen Gefühlen gehen die drei diesen Weg? Was empfindet Maria, als sie ihre Familie sieht?

Maria Fenskis Tod trat am 7. August 1942 um 18.30 Uhr ein. Die dokumentierte Todesursache lautete »Herzmuskelentartung«. Josef Fenski erfuhr erst etwa eine Woche später per Telegramm vom Tod seiner Frau. Für uns alle, die wir zu »SICHTBAR« gemalt und über das Schicksal von Frau Fenski geredet haben, wird das »Kirchenschiff mit blauem Haus« (2013) der Ort für ein Gedenken an sie sein.

Der Bilderzyklus ist auf der Webseite der Künstlerin zu sehen (www.hannah-bischof.de).